... erstmal nur der Text - die Bilder sind noch in Arbeit

Politik auf Samoanisch

Wer entscheidet was?

Offiziell gelten die Dorfräte (Fono), zusammengesetzt aus den matais des Dorfes, als gesetzgebende Versammlung des Dorfes, es gibt daneben kein Kommunalparlament oder ähnliches. Sie legen, wie die Matais in der Familie auch, ihre Kompetenzen selbst fest - vom totalen Alkoholverbot im ganzen Dorf über die Öffnungszeiten der Läden bis hin zu Haartracht- und Kleidungsvorschriften für die jungen Leute. Oder das Strafgeld von 20 Tala für jeden, der nicht am Sonntag in die Kirche geht. Nichts, was vor der Bestimmungsgewalt der Matai oder des Fono "sicher" wäre. "Privatangelegenheiten" gibt es eigentlich nicht, weder im Dorf, noch in der Familie.

Gelegentlich führt dies zu Konflikten mit der staatlichen Obrigkeit. Beispielsweise, wenn ein Dorfrat beschließt, dass eine bestimmte Religionsgemeinschaft im Dorf nicht tätig sein dürfe. Und die Mitglieder bestraft, wenn sie dies Verbot mißachten und trotzdem ihren Gottesdienst abhalten. Sie verprügelt, ihnen gar die Häuser anzündet, als offizielle Strafe auf Beschluß des Dorfrates. Das wird dann schwierig, weil die Religionsfreiheit ausdrücklich in der samoanischen Verfassung fest geschrieben ist. Und der gesamte Dorfrat dann als Brandstifter ins Gefängnis wandert. Alles schon vorgekommen.

Denn das parlamentarische System nach westlichem (englischen) Vorbild ist eine relativ neue Erscheinung in der samoanischen Gesellschaft. 49 Mitglieder hat das Parlament, alle Matais, die in gleicher, geheimer Wahl von allen volljährigen Samoanern (ab 21 Jahre) gewählt werden. Das Parlament wählt den Premierminister und sein Kabinett aus elf Ministern, die dann vom Staatsoberhaupt ernannt werden. Gesetze und Haushalt des Landes werden vom Parlament beschlossen, dann vom Staatsoberhaupt verkündet. Das Rechtswesen ist unabhängig, die Gesetze zumeist dem neuseeländischen Vorbild angelehnt.

Andere gewählte Körperschaften, auf Distrikts- oder Gemeindeebene, gibt es nicht. Jedes Dorf hat zwar einen "Pulenuu", Ortsvorsteher oder Sprecher, ein vom Fono ernannter Matai des Dorfes, der das Dorf gegenüber Parlament, Regierung und Verwaltung vertritt. Ein hohes Amt, gar mit Entscheidungsgewalt, ist es aber nicht.

Ein schönes Beispiel für die Stärke dieses samoanischen Geflechts aus Macht und Einfluß ist die Diskussion um ein großes Hotel hier im Lande. Denn es gibt keines mit mehr als 200 Betten. So ein großes Touristenresort, wie es sie in Fidschi und anderen Ländern gibt, "fehlt" in Samoa. Willige Investoren gäbe es reichlich, inzwischen auch einheimische, was der erste wichtige Punkt wäre. Aber wo? Praktisch alles Land gehört den Dörfern und Familien. "Enteignung", wie in Deutschland, gibt es in Samoa nicht. Man muß sich also einigen. Beim aktuell diskutierten Standort für solch' ein Hotel bedeutet dies, mehr als 250 Matai zur Zustimmung zu bewegen ... Das dauert und wird wahrscheinlich auch diesmal, wie schon seit mehr als zwanzig Jahren, an immer neuen Standorten, ausgehen wie das "Hornberger Schießen".

Zu strittig ist das Projekt, zu groß wird die Gefahr für die samoanische Kultur und die Umwelt gesehen, die von solch einem Projekt ausginge. Sicher nicht ohne Grund, wie die den Samoanern allemal bewußten Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen. Arbeitsplätze, Einnahmen aus Tourismus, schön und gut. Aber Hunderte von Palagi in den Dörfern, neugierig fotografierend, nur leicht bekleidet gar? Die ganze Erschütterung des sozialen Gefüges, wenn jemand allein durch die Trinkgelder beim Koffertragen weit mehr verdienen kann als der Lehrer, von der Arbeit auf der Plantage mal gar nicht zu reden. Da ist ein Konsens unter den Matai sehr unwahrscheinlich. Und ohne Konsens geht es nicht, selbst wenn es den Fürsprechern gelänge, einige ranghohe Matai auf ihre Seite zu bringen. Mindestens 200 der 250 Matai muß man schon überzeugen, damit die anderen dann ihren Widerstand aufgeben. Sehr unwahrscheinlich, dass dies gelingt.

Und so bleibt Samoa in vieler Hinsicht ein sehr konservatives Land, den traditionellen Werten verpflichtet. Die wirkliche Stärke der samoanischen Gesellschaft und Kultur liegt aber in ihrer Fähigkeit, neue Konzepte des Zusammenlebens, neue Wert und Ideen, neue Technik, zu integrieren, sie zu einem Teil Samoas zu machen. Man läßt es einfach nicht zu, dass die "westliche Zivilisation" sich zu einem Gegenmodell zur samoanischen Kultur entwickelt und diese gar überwältigt, wie in den meisten anderen Ländern der Dritten Welt.

Es ist wirklich beeindruckend, dies zu sehen, gerade auch für einen Deutschen. Ein paar Beispiele gefällig für "kulturelle Identität"?