Das Matai - System

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Die Taupou

Neben den mindestens zwei Mataititeln hält jede Familie auch mindestens einen Taupoutitel. Die Taupou ist Tochter eines Alii der Familie. Ihre Funktion ist vor allem zeremoniell, Machtbefugnisse hat sie nicht. Die Taupou verkörpert die Ehre und den kulturellen Reichtum der Familie, ihr Name und Status ist hergeleitet aus legendären Zeiten. Anmut und Tugend qualifizieren sie ebenso wie Disziplin und Gehorsam. Angeleitet von einer älteren Verwandten, einer früheren Taupou, lernt sie vor allem, zwei zeremonielle Funktionen auszuüben. Das Eine ist die Zubereitung des Kava (Ava), aus der Wurzel eines Pfefferstrauches hergestellt, in genau festgelegter Weise. Das Zweite ist der Eröffnungs- und Abschlußtanz, wie er bei allen wichtigen Anlässsen der Familie und des Dorfes stattfindet. Spezielle Musik und spezielle Bewegungen gehören dazu.

Beide Zeremonien "weihen" Zusammenkünfte, die ansonsten nur alltäglich, ganz weltlich wären. Das alt-samoanische Äquivalent zum Segen durch einen Geistlichen. Matais treffen sich oft, auch ganz informell. Sie trinken dabei Kava, zubereitet von einem jungen Mann. Aber wenn die Taupou dies macht, wobei der junge Mann ihr assistiert und den Kava auch den Matais serviert, bekommt die Zusammenkunft ein anderes Gewicht, wird offizieller und wichtiger. Gleiches gilt für jede andere Veranstaltung, ob Sport oder Geselligkeit, den Besuch einer Gruppe aus einem anderen Dorf oder einer anderen Familie. Die Taupou "ehrt" ein solches Treffen durch ihr Erscheinen und einen Tanz zum Beginn und/oder Ende der Zusammenkunft.

Ehrenjungfern nannte man so etwas früher in Deutschland, ohne dass deren Funktion jedoch die kulturelle Bedeutung und Tiefe hatte, wie es in Samoa ist. Nur die Jungfräulichkeit war unverzichtbar, auf jeden Fall früher, wurde doch die Taupou immer an einen Matai verheiratet, je höher dessen Titel, desto besser. Dies war traditionell die zweite Funktion einer Taupou - das Geflecht der verwandtschaftlichen Beziehungen der Familie durch ihre Heirat zu stärken und zu erweitern.

Diese Ehen waren vor allem in dieser Weise funktional und die Taupous hoher Familien wurden oft von mehreren Bewerbergruppen gleichzeitig hofiert, mit Geschenken und, vor allem, mit besonders schönen, großen und alten Feinen Matten. Hohe Matais hatten früher mehrere Frauen, alle Taupous, erreichten auf diese Weise immer neue verwandtschaftliche Bande zu anderen Familien. Sobald die Ehe Kinder hervorgebracht hatte, war eine Trennung durchaus nicht unüblich. Die Taupou behielt dann ihre Ehrenposition in ihrer Familie und ihrem Dorf, durfte aber nicht wieder heiraten.

Verhaltensbiologen würden dies als Methode charakterisieren, nur die Weitergabe bestimmter Gene zu sichern. Kulturell war es eher der Respekt vor der Taupou und ihrem Matai-Gemahl, der eine Wiederheirat verhinderte. Insgesamt, dies berichteten frühe Entdeckungsreisende, führte dies auch dazu, dass eine ganze Reihe an Männer ohne Frauen blieben. Und die relative Kürze der Ehen begrenzte die Zahl der Kinder, also auch das Bevölkerungswachstum. In den samoanischen Dörfern alter Zeit gab es weitaus weniger Kinder als heute, was beileibe nicht nur an der Säuglingssterblichkeit lag. Um 1800 lag die Bevölkerung ganz Samoas sicher nicht wesentlich über 10.000 Einwohnern, wenn überhaupt. Und auch bei Beginn der deutschen Kolonialherrschaft, im Jahre 1900, waren es gerade etwas mehr als 30.000 Samoaner. Heute sind es um die 200.000.

Der Vergleich einer samoanischen Aiga mit einem deutschen Familienunternehmen, mit dem Alii als Vorstand und dem Tulafale als Geschäftsführung, läßt sich auch hier gut zum Verständnis nutzen. Die Taupou ist die Tochter eines Vorstandsmitglieds. Sie arbeitet ganz normal im Betrieb mit, ist aber in bestimmter Hinsicht eben doch jemand ganz anderes. Hat eine andere Ausbildung und Erziehung als andere Mädchen. Wenn hohe Gäste kommen, bewirtet sie diese, spielt gar für sie Klavier oder tanzt ein Stück klassisches Ballett. Und wenn der Vorstand tagt, bereitet sie den traditionellen "Spezial-Kaffee". Für "normale" Männer ist sie unerreichbar, wird sie doch einmal den Sohn eines anderen Vorstandsvorsitzenden heiraten. Ihre Tugend ist deshalb von großem Wert, wird eifersüchtig bewacht von ihren Brüdern. Ein Unterschied liegt allerdings in der besonderen, fast sakralen, Bedeutung, die die Anwesenheit einer Taupou gibt. Das ist bei der Tochter eines Unternehmensvorstands sicher nicht so.

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