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Deutsche(s) in Samoa

damals: Kolonialherren - Kolonialwaren - Kolonialkinder 1
heute: Als Deutscher in Samoa - Was ist geblieben? - Kolonialkinder 2

Kolonial"kinder"? Ja, die Deutschen und anderen Weißen waren schon so überzeugt von sich und ihrer Überlegenheit, daß sie die Samoaner allemal mit väterlichen Augen betrachteten. Leute, auf die man aufpassen und die man behüten mußte. Aber natürlich auch züchtigen und "erziehen", wenn sie auf eigene Gedanken kämen, gar Widerworte hatten.

Es ist heutzutage schon verblüffend bis erschreckend zu sehen, mit welcher Borniertheit und Arroganz "unsere Landsleute" das damals sahen. Die Samoaner im übrigen nicht - die hatten, so im Grundsatz, eine eher genau umgekehrte Auffassung darüber, wer denn nun der Zivilisiertere wäre. Betrachteten die Weißen eher als so eine Art rüpelhafte junge Burschen, leider sehr kräftig.

Nicht, daß man viel Berührung miteinander hatte, vor allem außerhalb Apias, gar in Savaii, wo damals die meisten Samoaner lebten. Dort gab es vielleicht fünfzig Weiße, davon etwa die Häfte Deutsche.

Die Deutschen, die man traf, waren Händler, Pflanzer oder Verwaltungsbeamte. Lebten mit einer deutschen Familie, im Ausnahmefall, oder allein, dann zumeist versorgt von samoanischen Bediensteten. In manchen Fällen aber kam es auch zu einer samoanisch-deutschen Eheschließung und damit auch zur Aufnahme des deutschen Ehepartners in die samoanische Familie.

Diese Verbindungen wurden von deutscher Seite eher etwas abfällig betrachtet. von samoanischer Seite eher nicht. Höchstens skeptisch. Aber wenn der deutsche Partner sich zu benehmen wußte, dem Faa Samoa mit Respekt begegnete, seine Arroganz im Zaume hielt, dann ging es doch meistens gut.

Die Abkömmlinge dieser Verbindungen, afatasi (afakasi) genannt (= engl. halfcast, deutsch: Halbblut), hatten es allerdings nicht ganz so leicht am Anfang. Die Deutschen verweigerten ihnen die Rechte der Europäer, also Handel und den Genuß von Alkohol. Die Samoaner sahen sie ebenfalls nicht als ganz vollwertig an. Sie selbst waren auch etwas zwiespältig, wußten zumeist nicht so recht, wem sie sich mehr zugehörig fühlen sollten.

Als die Neuseeländer dann 1917 alle Deutschen aus Samoa deportierten, gab es erhebliche Probleme für die samoanischen Ehepartner und die Kinder, die sich nun auf einmal entscheiden mußten. Entweder für ein Leben unter Palagis, im fernen, kalten Neuseeland oder gar Europa. Oder für die Heimat Samoa. Herzzerreißende Szenen gab es bei der Abreise.

Denn die meisten blieben in Samoa, vor allem auch die Kinder. Es sollte noch mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis die Neuseeländer den halb-weißen Afakasi wenigstens einen Teil der Rechte der Weißen einräumte, was allerdings immer noch mehr an Möglichkeiten bot, als es die anderen Samoaner hatten. Was daraus heute geworden ist, steht unter "Kolonialkinder Teil 2".

Noch eine weitere Gruppe von "Kolonialkindern" gab es damals - die als Arbeitskräfte ins Land gebrachten Chinesen und Melanesier, letztere aus Neuguinea oder den Solomon-Inseln. Die wollte eigentlich niemand so recht, außer zum Arbeiten natürlich, und sie wurden mehr oder weniger auf den Plantagen eingesperrt. Rechte hatten sie keine und auch die Samoaner verhängten strikte Kontaktverbote.

Doch wo ein Wille ist ... Nach ein paar Jahren gab es dann doch die ersten Mischkinder und wenn man erst ein oder zwei Jahrzehnte im Lande ist, dann hat man sich eben doch aneinander gewöhnt. Die Melanesier blieben zum Teil unter sich, wurden später in eigenen Dörfern angesiedelt, auf dem ehemaligen Plantagenland. Andere wurden in samoanische Familien integriert, lernten die Sprache, waren kulturell ja auch nicht so anders als die Samoaner selbst. Ab und zu sieht man heute noch richtig schwarzhäutige, gar kraushaarige Samoaner. Aber niemand käme auf die Idee, sie nicht als Samoaner anzusehen.

Mit den Chinesen war es da etwas schwieriger. Kulturell waren sie eher den Weißen vergleichbar, obwohl ihre starken Familienbeziehungen den Samoanern doch sehr vertraut vorkamen. Nach einigen Jahren der Gewöhnung gestattete man einem Teil der Chinesen, in Samoa zu bleiben, sogar Handel zu treiben und Geschäfte zu eröffnen. Sie bekamen einen Zusatz zu ihrem Namen, die Silbe "Ah". Und wer heute durch Apia schlendert, sieht immer wieder Geschäfte mit Inhabern "Ah Liki". "Ah Chong" oder "Ah Koui", Nachfahren dieser quasi eingebürgerten Chinesen.

Integration in samoanische Familien gab es auch, ebenso Verbindungen zu Europäern, wie im Falle der Familie "Ah Liki" und der Familie "Westerlund", deren zahlreiche Nachkommen heute in allen Bereichen des samoanischen Geschäftslebens stark präsent sind. Sie selbst sehen sich als Samoaner, voll und ganz, tragen auch samaonische Mataititel, ohne die es nun einmal nicht geht, wenn man wirklich Ansehen genießen will in Samoa.

Für die Deutschen war das überhebliche Gefühl der kulturellen Überlegenheit so selbstverständlich, daß sie gar nicht auf die Idee kamen, sich darüber Gedanken zu machen. Von der Arroganz der Macht einmal ganz zu schweigen. Allerdings waren sie sich schon bewußt, nur ein sehr kleines Häufchen unter sehr vielen Samoanern zu sein, selbst zusammen mit den anderen Weißen noch.

In realistischer Einschätzung dieser Situation vermied die deutsche Verwaltung daher zumeist direkte Konfrontationen mit den Samoanern. Eher konsequente Mißachtung war die Regel. Der Sitz des samoanischen "Königs" in Mulinuu war umgeben vom Land der "Firma", der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft. Und wenn er sein Haus verlassen oder Besucher empfangen wollte, konnte dies nur mit Billigung oder wenigstens Duldung der Deutschen geschehen. Und das war jedem bewußt. Immer.

Die Deutschen richteten auch einen Gerichtshof ein für die Schlichtung der allfälligen Streitigkeiten um Mataititel und Rechte am Familien- und Dorfland. Dieser "Lands and Titels Court" wurde zwar von den Samoanern im Prinzip begrüßt, weil er auch schriftliche Unterlagen verwendete, das von den Deutschen errichtete Grundbuch nutzte, auf die Ergebnisse der Landvermessung baute. Aber daß der Richter ein Deutscher war und kein Samoaner ..? In diesen wirklich ureigensten Fragen samoanischen Selbstverständisses.

Nicht, daß der Richter sich nicht wirklich Mühe gegeben hätte, die Feinheiten der samoanischen Tradition und Sitte zu verstehen. Ganz im Gegenteil, er gab sich größte Mühe, wurde zum wirklichen Experten. Aber blieb trotz allem ein Fremder. Und wenn es um die Rechte der "Firma" ging oder anderer Weißer, dann war die Sache sowieso schon geklärt.

Letztlich aber waren die Samoaner der deutschen Verwaltung herzlich egal. Hauptsache, sie störten die Geschäfte nicht. Und weil die Samoaner mit Geschäften selbst auch wenig im Sinn hatten, paßte das ganz gut zusammen. Die meisten Streitfragen vor dem deutschen Gericht betrafen dann auch eher Zwistigkeiten zwischen den Europäern im Lande.

Letztlich kamen aber diese recht gut miteinander aus, jedenfalls so lange, wie sie der "Firma" nicht ins Gehege kamen. Das ging sogar so weit, daß die deutsche Verwaltung als ihren Amtmann auf Savaii einen britischen Staatsbürger irischer Abstammung bestellte, was nach deutschem Beamtenrecht sicher eine sehr weite Auslegung der Bestimmungen war. Aber er war eben Ire - Pass hin oder her - und somit Feind der Engländer, also ein Freund der Deutschen.

Insgesamt eine für Kolonialzeiten sicher sehr feinfühlige und realistische Politik, was dem deutschen Gouverneuer, Herrn Solf, auch Anerkennung und spätere Beförderung im Kaiserlichen Kolonialministerium einbrachte.

Zwischendurch hatte er sich allerdings zu wehren, wurde auch nach Berlin zitiert. Es gab doch eine ganze Reihe deutscher Privatpersonen, die gerne nach Samoa ausgewandert wären und dort eine eigene kleine Plantage errichtet hätten. Richard Deeken, ein Leutnant der kaiserlichen Marine, war ihr Fürsprecher und Vorbild, hatte selbst Plantagenbesitz in Samoa, gründete eine eigene Handelsgesellschaft und schließlich sogar ein Sanatorium auf den Hügeln oberhalb Apias.

Gegen dessen Kritik mußte sich Solf zur Wehr setzen, weil er eben konsequent nicht die Interessen der Kleinsiedler, sondern eine Politik der Großplantagen, im Besitz der DHPG, vertrat. Solf setzte sich damit durch, weil dies der heimischen deutschen Wirtschaft weit mehr nützte. Eine große Firma an Stelle von vielen kleinen Siedlern, die alle ihre Produkte auf eigene Rechnung exportierten.

Solf argumentierte auch mit dem Eindruck, den die Ansiedlung "kleiner" Pflanzer auf die Samoaner machen würde. Mehr Fraternisierung wäre dann zu befürchten, engere Kontakte zwischen Samoanern und Deutschen. Auch wirtschaftlicher Mißerfolg der Siedler, Konkurse gar. Würde einen sehr schlechten Eindruck auf die Samoaner machen, die Deutschlands Größe und Stärke in Gestalt der DHPG kenne und auch respektieren, gar fürchten gelernt hätten. Dies alles käme in Gefahr.

Die deutsche Regierung folgte diesen, sicherlich auch sachlich nicht unbegründeten Einwänden. Und Solf war bestimmt auch klar gewesen, daß die Zuwanderung weiterer Deutscher in großer Zahl nicht ohne Widerstand seitens der Samoaner geblieben wäre. In Afrika und Neuguinea war wahrlich erheblich mehr Platz, auf dem sich deutsche Kolonisten hätten ansiedeln können.

Denn der Widerstand der Samoaner war mittlerweile durchaus spürbar. 1903 war die Mau gegründet worden, die samoanische Unabhängigkeitsbewegung. Denn die Europäer hatten, wohl eher unbeabsichtigt, durch ihre ständige Suche nach samoanischen Führern, der Errichtung des Königtums gar, ein samoanisches Nationalgefühl provoziert. "Samoa den Samoanern" hieß es nun und was zuvor eher überwiegend Unverständnis und Unerfahrenheit war, die Nichtachtung von Anordnungen der deutschen Verwaltung, wurde nun zur Regel und zum Prinzip.

Man stellte den "König" zur Rede, aber der zuckte nur mit den Achseln und meinte, er hätte eben auch nichts zu befehlen und sie sollten es nun endlich mal kapieren. Samoanische Polizisten in deutschen Diensten sowie deutsche Marinesoldaten zogen zu Razzien aus gegen die Mau, verbrannten jedes Haus, in dem sie das blau-rote Tuch (heute die Landesfahne) fanden, das einen Anhänger der Mau kennzeichnete. Wen sie fangen konnten, sperrten sie ein, nahmen auch die Familien als Geiseln, damit sich die in die Wälder geflüchteten Männer den Behörden stellten.

Sie haben es eben nie verstanden, die deutschen Herren damals. Denn für jeden "Führer" der Mau, den sie einsperrten oder gar auf ferne Inseln in Mikronesien verbannten, standen zwei neue auf, völlig klar. Denn es gab ja in Wirklichkeit keine wirklichen "Führer", mal wieder, weil das eben nicht samoanisch gewesen wäre. Sondern die Mau war, wie jede samoanische Entscheidung, aus einer breiten Diskussion der Matais untereinander entstanden, aus einem grundlegenden Konsens darüber, was nun zu tun sei. Und nachdem das entschieden war, wußte jeder der vielen Matais im Lande, was er zu tun hatte. Und war damit ein Führer der Mau.

Und tat auch, was zu tun war, schickte seine jungen Männer in den Wald oder auf Fischfang, anstatt auf die deutsche Plantage. Oder setzte den Beamten, die in sein Dorf kamen, um sich nach dem Erfolg der von ihnen in Gang gebrachten Rinderzucht zu erkundigen, eben diese Zuchtbullen als Gastmahl vor. Peinliches Mißverständnis, sowas aber auch. Genervt vermerkten die deutschen Herren, daß die Samoaner ein zwar friedliches, lebensfrohes und sangesfreudiges Völkchen seien, zu jeder Art von geregelter Arbeit aber nicht taugten, weil ungeschickt und unbeständig. Hätten sie keine Lust mehr, würden sie einfach gehen. Nun ja - war sicher auch richtig.

Und so war die deutsche Kolonialzeit insgesamt vor allem durch freundliche gegenseitige Mißachtung geprägt. Letztlich hatten beide Seiten die gleiche Strategie - den Gegenpart durch konsequente Mißachtung zu zermürben. Im Ergebnis klappte das - die Samoaner ließen die Deutschen in Ruhe, dort, wo sie nun mal waren. Und die Deutschen ließen die Samoaner gewähren, wenn es nicht um unmittelbare deutsche Interessen ging, vor allem die der DHPG.

Bevor es schwieriger werden konnte, war alles vorbei und die Neuseeländer beendeten die sowohl für die samoanische als auch für die deutsche Geschichte recht kurze Episode "Deutsch-Samoa".

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